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2017-4

Das neue Mutterschutzgesetz

Das neue „Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium“ – kurz MuSchG.

D as Gesetz tritt zum 1. Januar 2018 in Kraft mit drei Ausnahmen:

___ Kündigungsschutz für Frauen nach einer Fehlgeburt ab der 12. Schwangerschaftswoche – 4 Monate Kündigungsschutz ab Sommer 2017

___ Verlängerte nachgeburtliche Mutterschutzfrist für Frauen mit einem behinderten Kind – Verlängerung auf 12 Wochen nach der Geburt ab Sommer 2017

___ Anpassungen beim Schutz vor Gefahrenstoffen und biologischen Arbeitsstoffen nach EU Richtlinien – ab Sommer 2017

Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich das Schutzniveau mit dem neuen Gesetz nur an wenigen Punkten verbessert hat. Positiv zu sehen ist die Ausweitung auf arbeitnehmerähnliche Beschäftigungsformen, z.B. Schüler, Studenten, Werksvertragsarbeiterinnen, freie Handelsvertreterinnen. Ferner die beiden ersten o.g. Punkte, ansonsten musste der gesetzlich festgelegte Schutz dem angeblichen Recht der Frauen auf Selbstbestimmtheit weichen. Was die Frage aufwirft, wie selbstbestimmt ist die Frau im Berufsleben? Personalknappheit, Teamdruck, Anforderungen von Seiten der Betriebsleitung, besonders in den sozialen Bereichen z.B. der stationären Jugendhilfe – ein Balanceakt. Die Abwägung zwischen dem Wohl des ungeborenen Kindes und den Bedürfnissen der Klientelen lastet auf ihren Schultern. Da wirkt es geradezu sarkastisch, dass die psychischen Belastungen nicht ausdrücklich in den Gefährdungsbereich aufgenommen wurden.

Das bisherige Nachtarbeitsverbot zwischen 20:00­6:00 Uhr wurde gelockert. Künftig ist es zulässig, in allen Branchen bis 22:00 Uhr zu arbeiten. Allerdings müssen die Frauen ausdrücklich zustimmen, es dürfen keine ärztlichen Bedenken vorliegen und keine „unverantwortliche“ Gefährdung. Sofern es von den Aufsichtsbehörden keine Nachfragen gibt oder ein Antrag binnen sechs Wochen durch die Aufsichtsbehörden nicht abgelehnt wurde, gilt die Beschäftigung bis 22:00 Uhr. Angesichts dessen, dass bis dato überhaupt nicht absehbar ist, wie viele Anträge auf die Behörden zukommen, ist eine Arbeitsüberlastung und damit verbunden eine fristgerechte Antrags­ überprüfung derzeit überhaupt nicht gewährleistet.

Im §29 Abs. 3 Nr 1 MuSchG. versteckt sich ferner die Bewilligung einer Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot von 22:00­6:00 Uhr sowie vom Mehrstundenverbot. Auch die Arbeit an Sonn­ und Feiertagen ist mit Zustimmung der Frauen kein Hindernis mehr.

In stationären Einrichtungen, mit festen Dienstplänen beispielsweise, wird die Frau zur Verhinderin, wenn wegen ihres Nachtarbeitsverbots eine Freizeit ausfallen muss oder ein Kollege nicht in den geplanten Urlaub kann. Wie schön, dass die Frauen jetzt keine Spielverderberin mehr sein müssen, aber was ist mit der Gefährdungsprävention?! Wer garantiert, Frauen die Möglichkeit, jederzeit ihren Arbeitsplatz verlassen zu können, bei gleichbleibendem Stellenschlüssel und Personalknappheit auf dem sozialen Arbeitsmarkt?

Hinzu kommt noch die Begrenzung des Freistellungsanspruchs für das Stillen bis zum 1. Lebensjahr. Im alten Mutterschutzgesetz gab es keine Begrenzung.

In Bezug auf die Gefährdungsbeurteilungen wird der Arbeitgeber nicht explizit aufgefordert, für schwangere Kolleginnen einzelfall­ und anlassbezogene Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen.

Statt wie bisher Unterweisungen durchzuführen, muss der Arbeitgeber dann den Frauen nur noch Gespräche zu dieser Thematik anbieten.

Im neuen MuSchG. sind die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass keine „unverantwortbare“ Gefährdung vorliegt. Unverantwortbar ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, mit dem der Arbeitsschutz, der bisher auf Prävention und Minimierung von Gesundheitsbelastungen ausgerichtet ist, zuvor nicht hantierte.

Gerade wenn es um so belastende Zeiten wie die Nachtarbeit geht, geht es zumeist um Arbeiten mit reduziertem Personalschlüssel. Sollte dann eine „unverantwortliche“ Gefährdung plötzlich auftreten, können sich die Frauen nicht sofort der Gefahrenquelle entziehen und setzen sich dadurch nicht einschätzbaren Gefährdungen aus. Früher reichte eine Gefährdung aus, damit der gesetzliche Schutz, das Arbeitsverbot griff, jetzt bedarf es der „unverantwortlichen“ Gefährdung.

So wird es einen neuen Ausschuss zu Mutterschutz nach §30 MuSchG. geben. Die Unfallversicherungsträger gehören hier nicht dazu. Die Federführung wird beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) liegen anstatt beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), wo ein über die Jahre gewachsenes hohes Maß an Kompetenzen in Sachen Arbeitsschutz liegt. Die Ausschuss­Besetzung wird vorgenommen durch das BMFSFJ im Einvernehmen mit dem BMAS, dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Für Erlangung von Regelungen und Erkenntnissen müssen alle vier Ministerien an einem Strang ziehen. Man kann also davon ausgehen, dass es einiger Generationen von Geburten bedarf, bis Vorschläge in konkrete Rechtsvorschriften übergegangen sind.

Angetreten ist das neue Mutterschutzgesetz mit der Maßgabe, das Aussperren von schwangeren Frauen durch ein generelles Beschäftigungsverbot zu vermeiden und hinzuführen zu einem integrativen, den Gleichstellungszielen entsprechenden beruflichen Nachteilen für die Frauen vermeidenden Gesundheitsschutz. Das derzeit vorliegende Gesetz wird diesem nur unzureichend gerecht. Es besteht noch ein großer Diskussionsbedarf darüber, ob das Gesetz in der Praxis „gleichstellungsfördernd und schützend im Sinne der Frauen“ umsetzbar ist.

__ Andrea Eggers • Freigestellt MAV und
Mitglied der Tarifkommission LV Nord

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