Wieder eine Studie, die bestätigt, wie
krass die soziale Ungleichheit unserer
Gesellschaft ist.
Die Umweltschutz und Hilfsorganisation Oxfam warnt vor steigender Ungleichheit in der Welt und in Deutschland. Die Studie bestätigt, was bereits
bekannt sein dürfte: dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer mehr zunimmt. Auch Deutschland sei trotz boomender Konjunktur ein "Ungleichland",
so OxfamExpertin Ellen Ehmke.
Man mag über das Ausmaß der Ungleichheit streiten können. Fest steht
aber, dass es eine ungesunde Entwicklung gibt und Handlungsbedarf besteht.
Deregulierte Finanzmärkte, ungerechte Steuerpolitik, unverhältnismäßig
hohe Vorstandsgehälter und die Globalisierung haben zu dieser ungleichen Gesellschaft beigetragen.
Ein Punkt wird in der Analyse der Verteilungsgerechtigkeit allerdings häufig außer Acht gelassen.
Und zwar, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad in einem eindeutigen
Zusammenhang mit der Verteilungsgerechtigkeit steht. Forschungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) belegen, dass ein sinkender Anteil gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer zu
mehr Ungleichheit führt.
Ergo: Umso mehr ArbeitnehmeInnen
sich gewerkschaftlich organisieren, umso ausgeglichener ist die Verteilung!
Ebenso belegen Studien, dass ArbeitnehmerInnen mit Tariflohn im Schnitt
20 Prozent mehr bekommen. Für alle
organisierten Kolleginnen und Kollegen
dürfte dies bereits klar sein. Sie kämpfen nämlich dafür, dass ein gerechter Teil
der Wertschöpfung an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgekehrt
wird.
Nun gibt es aber Kolleginnen und Kollegen, bei denen offensichtlich diese Logik, dass nur eine starke Gewerkschaft
auch starke Abschlüsse erreichen kann,
nicht angekommen ist.
Diese nichtorganisierten Kolleginnen
und Kollegen profitieren aber dennoch
von den Tarifabschlüssen, da der tarifgebundene Arbeitgeber in der Regel die
Tarife ebenso an nichtorganisierte Kolleginnen und Kollegen weitergibt.
Wer nun glaubt, der Arbeitgeber lasse
die Tarifverträge (die eigentlich nur zwischen den Tarifvertragsparteien anzuwenden sind) aus purer Nächstenliebe
auch auf Nichtorganisierte zur Anwendung kommen, irrt!
Hiermit will der Arbeitgeber lediglich verhindern, dass sich die Nichtorganisierten gewerkschaftlich organisieren und
dies zur Stärkung der Gewerkschaften
beiträgt.
Alle „Trittbrettfahrer“ schwächen sich
somit selbst, weil sie die Verhandlungsstärke der Gewerkschaften schwächen.
Damit haben sie ebenso Anteil an der
sozialen Ungleichheit.
Da dieser Hinweis leider bei vielen Kolleginnen und Kollegen immer noch
abprallt, hat sich die Tarifkommission
des Landesverbandes Nord mit der
Einführung eines Gewerkschaftsbonusses beschäftigt.
Es wurde die Forderung eingebracht,
dass Gewerkschaftsmitglieder bei Nachweis ihrer Mitgliedschaft einen „Bonus“
erhalten sollen. Dies wurde seitens der
Kirchenleitung der Nordkirche mit dem
Argument verwehrt, dies verstoße gegen die negative Koalitionsfreiheit und
sei nicht mit dem Differenzierungsverbot des § 2 Arbeitsrechtsregelungsgesetzes (ARRG) vereinbar.
Das Bundesarbeitsgericht sieht indes keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken mehr, jedenfalls
dann nicht, wenn die Sonderzahlung ein
gewisses Maß nicht übersteigt und dem
Arbeitgeber die Möglichkeit bleibt, auch
Nichtmitgliedern die zusätzliche Zahlung
freiwillig zu gewähren.
Auch ein Verstoß gegen das Differenzierungsverbot aus § 2 ARRG ist
nicht erkennbar. Das Arbeitsrechtsregelungsgesetz sieht in §2 vor, dass die tarifvertragliche Regelung auf alle Mitarbeiter ohne Rücksicht darauf anzuwenden ist, ob sie Mitglieder einer Mitarbeiterorganisation sind, die an dem Abschluss des Tarifvertrages beteiligt waren.
Da die §§3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Tarifvertragsgesetz bestimmen, dass Tarifnormen, die den Inhalt der Arbeitsverhältnisse regeln, normativ eigentlich
nur zwischen den beiderseits tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
gelten, wurde hier diese kirchengesetzliche Regelung geschaffen.
Es ist so, dass der kirchliche Gesetzgeber die Entscheidungskompetenz zu den Inhalten der Tarifverträge ganz klar den Tarifvertragsparteien zugewiesen hat. Das Differenzierungsverbot soll lediglich
bewirken, dass neben der zwingenden Wirkung nach
dem Tarifvertragsgesetz, kirchengesetzlich die Anwendung der Tarifverträge auch auf Nichtmitglieder vorgeschrieben wird.
Trotz Ablehnung der Arbeitgeberseite werden wir
unsere Forderung nach einem Gewerkschaftsbonus aufrechterhalten!
Weshalb mir diese Forderung so wichtig ist? Zum
einen möchte ich, dass die Kolleginnen und Kollegen,
die sich organisieren und einsetzen, hierfür zumindest eine kleine Wertschätzung erhalten. Zum anderen habe ich die Hoffnung, dass eine solche Maß
nahme auch die Kolleginnen und Kollegen aus ihrem Phlegma herausreißt, die sich von der oben genannten Argumentation nicht beeindrucken lassen.
Für die Kolleginnen und Kollegen, deren Motto sonst
eigentlich lautet „Weshalb beitreten, bekomme ich
doch eh“, könnte dies ggf. genug Antrieb für etwas
mehr Solidarität erzeugen. (Bitter, dass es solcher
Überlegungen bedarf!)
Beschämend ist und bleibt doch, dass viel zu wenige Kolleginnen und Kollegen gewerkschaftlich organisiert sind.
Trotzdem profitieren dann alle ArbeitnehmerInnen
in der Nordkirche von den von wenigen erkämpften
Tarifverträgen und den jährlich erstrittenen Tariferhöhungen. So lange sich viel zu wenige Kolleginnen
und Kollegen mit den organisierten Kolleginnen und
Kollegen solidarisch zeigen, wäre es nur gerecht, den
Einsatz der Gewerkschaftsmitglieder zu honorieren.
Die in ihrer Gleichgültigkeit Gefangenen sollten
sich nur einmal vorstellen, es gibt Tarifverhandlungen,
und keiner geht hin.
Schluss mit "Bekomme ich doch eh und kann ich
doch eh nicht ändern" - hin zu mehr Solidarität und
mehr Verteilungsgerechtigkeit mit einer noch stärkeren Kirchengewerkschaft!
Ohne Dich sind wir eine/r zu wenig!
_ Silvia Schmidbauer,
Syndikusrechtsanwältin
der Kirchengewerkschaft