Kirchengewerkschaft
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Dezember 2016

hier finden Sie nähere Ausführungen, Erklärungen, Hinweise auf gerichtliche Entscheidungen oder auch Hinweise zu Mitteilungen des Evangelischen Oberkirchenrates zu den einzelnen Bestimmungen und Regelungen des TVöD, TVÜ und der AR-M.
Sollten Sie selbst zu dieser (oder einer anderen Regelung) einen Kommentar schreiben wollen, so sind Sie herzlich eingeladen dazu!
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Herzlichen Dank

Anerkennung der normativen Wirkung von Arbeitsrechtsregelungen im Staatskirchenvertrag BW

Artikel aus ZMV 4/2008 S. 195 f

Seit etwa drei Jahrzehnten beschreiten die Kirchen den Dritten Weg zur Festlegung der Arbeitsentgelte und sonstigen Arbeitsbedingungen ihrer privatrechtlich beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Umstritten ist dabei nach wie vor die Rechtsnormqualität der auf dem Dritten Weg zustande gekommenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen: Gelten sie unmittelbar und zwingend, also normativ, für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse? Oder können die von den Arbeitsrechtlichen Kommissionen beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen nur über den „Umweg“ der arbeitsvertraglichen Einbeziehungsklausel für das jeweilige Arbeitsverhältnis zur Geltung gebracht werden?

Im Anschluss an eine ermutigende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2002 (BAG, Urteil vom 20. März 2002 – 4 AZR 101/01, ZMV 6/2002 S. 299; vgl. dagegen BAG, Urteil vom 8. Juni 2005 – 4 AZR 412/04, ZMV 2/2006 S. 96) haben mehrere evangelische Landeskirchen den Anspruch der Arbeitsrechtsregelungen auf normative Wirkung in ihren kirchlichen Gesetzen klargestellt (vgl. die Regelung im jeweiligen Arbeitsrechtsregelungsgesetz – ARRG – für: Baden – § 4 Abs. 2 S. 1 –, Württemberg – § 4 Abs. 2 S. 1 –; ebenso Bayern – § 3 Abs. 1 –, Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen – § 15a Abs. 2 –, RheinlandWestfalen-Lippe – § 3 Abs. 1). In vergleichbarer Weise hat auch die katholische Kirche gehandelt (vgl. z.B. die Mitteilung zur Änderung der KODA-Ordnung der Erzdiözese Freiburg mit Wirkung vom 1. Juli 2005 in: ZMV 4/2005, S. 191).

Mit dem Evangelischen Kirchenvertrag Baden-Württemberg (Vertrag des Landes Baden-Württemberg mit der Evangelischen Landeskirche in Baden und mit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 17. Oktober 2007, GVBl. der Ev. Landeskirche in Baden 2007, S. 174 ff.), der am 10. April 2008 in Kraft trat (Bekanntmachung: Ratifikation und Inkrafttreten des Evangelischen Kirchenvertrags Baden-Württemberg, GVBl. der Ev. Landeskirche in Baden 2008, S. 92), ist die normative Wirkung von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen erstmals staatskirchenvertraglich anerkannt worden. In Artikel 1 Abs. 2 heißt es: „Die Kirchen ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie haben das Recht, …, für ihre Mitglieder, Gliederungen und Einrichtungen bindende Gesetze und Verordnungen zu erlassen und im Rahmen ihrer Zuständigkeit verbindliche Arbeitsrechtsregelungen zu beschließen“ (Hervorhebung vom Verfasser). Damit wurde erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in einem Staatskirchenvertrag die Arbeitsrechtsregelung im Dritten Weg neben der Gesetz- und Verordnungsgebung als Teil des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen garantiert.

Hierbei ist besonders wichtig, dass die normative Wirkung von Arbeitsrechtsregelungen nicht nur staatskirchenvertraglich anerkannt wurde, sondern auch – wiederum erstmalig – landesgesetzlich. Denn mit Gesetz vom 8. Januar 2008 (GBl. für Baden-Württemberg 2008, S. 1 ff., mit Berichtigung im GBl. 2008, S. 56. Dieses Gesetz trat nach seinem Artikel 4 Abs. 1 am 12. Januar 2008 in Kraft) hat das Land Baden-Württemberg dem Evangelischen Kirchenvertrag Baden-Württemberg zugestimmt. Die amtliche Begründung zum Zustimmungsgesetz hält ausdrücklich fest: „Mit der Zustimmung erhält der Vertrag Gesetzeskraft“ (Drucksache 14/1940 des Landtags von Baden-Württemberg, S. 6). Damit wurde erstmals in einem staatlichen Gesetz die Rechtsmacht der Kirchen zur verbindlichen Arbeitsrechtsregelung im Verhältnis zu ihren Mitarbeitenden – auch solchen, die nicht Kirchenmitglieder sind – anerkannt. Dies erscheint wichtig im Hinblick auf das Urteil des BAG vom 8. Juni 2005. Diese neue Entwicklung könnte hilfreiche Bausteine enthalten, um langfristig zu einer allgemeinen, vor allem gerichtlichen Anerkennung der normativen Wirkung von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu kommen.

Dr. Uwe Kai Jacobs, Karlsruhe

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